Fahrrad das im Keller steht

Training im Radsport: Planvoll in die Pause

Nachdem der letzte Wettkampf bestritten ist, stellt sich die Frage: Weiterfahren oder das Rad in den Keller stellen? Unser Trainingsexperte Christoph Lörcks rät: den Sport geplant runterfahren und mal was anderes machen.

Ende September und Anfang Oktober bestreiten die meisten Straßenfahrer ihre letzten Wettkämpfe im Jahr. Bei kürzeren Straßenrennen bietet es sich oft an, bereits in dieser Phase den Trainingsumfang deutlich zu reduzieren, zumal auch der Spaß an stundenlangen Einheiten bei so manchem Fahrer schwindet. Mit kürzeren Trainingsfahrten von zwei bis drei Stunden im GA1-Bereich und teilweise auch etwas zügigeren Trainingsfahrten im GA2-Bereich um die zwei Stunden lässt sich die Form recht gut für die letzten Wochen halten. Durch die hohe Belastung der vorangegangenen Monate funktioniert diese Methode oft besser als weiterhin umfangreiches Training. Auch kurze Intervalle im Entwicklungsbereich und kurze Sprints über sechs bis zehn Sekunden können in dieser Trainingsphase sehr effektiv eingebaut werden.

Für einige Hobbysportler stehen aber auch am Ende der Saison noch Höhepunkte an. So findet etwa der Münsterland Giro erst am dritten Oktober statt – für viele Jedermänner und Hobbyfahrer ein echtes Muss. Hier muss man dann – besonders, wenn es auf die langen Strecken bis zu 160 km gehen soll – genau abwägen, wie weit die Grundlagenausdauer aufgebaut und stabil ist. Fahrer mit einem hohen Leistungsniveau können durchaus wie oben beschrieben vorgehen. Sportler mit einem niedrigeren Leistungsniveau sollten besser in den Wochen davor noch mindestens eine lange Grundlageneinheit im Bereich der Wettkampfdistanz einbauen.

Mal was Neues

Badmintonspieler
Koordinative Sportarten wie Badminton bieten eine gute Abwechslung

Nach dem letzten Rennen geht es dann in die Übergangsphase. Früher stellten viele Radsportler das Rad in den Keller und holten es erst nach Monaten wieder hervor, trainierten in dieser Phase sehr wenig oder überhaupt nicht. Ich empfehle meinen Sportlern – auf Hobby- und Profiniveau – jedoch ein anderes Vorgehen. Die ersten zwei Wochen der Übergangsphase gestalte ich in der Regel komplett frei für den Sportler, ohne irgendwelche Vorgaben. Möchte der Athlet auf dem Rad trainieren, dann maximal zwei Stunden GA1 und das höchstens drei bis vier Mal in der Woche. Am besten ist es jedoch, sich mal zwei Wochen gar nicht aufs Rad zu setzen. Nach den monatelangen, oft sehr umfangreichen Trainingseinheiten auf dem Rad ist es wichtig, etwas Abstand zu gewinnen. Allerdings empfehle ich den Sportlern, sich anderen Sportarten im zuzuwenden, etwa Mannschaftsportarten oder Sportarten mit einem hohen koordinativen Anteil.

Für die Profis mit ihren extremen Umfängen ist das besonders wichtig, allerdings gibt es auch Hobbyfahrer, die 15 bis 20 Stunden pro Woche auf dem Rad trainieren. Wer also lieber zwei Wochen mal gar nicht Rad fahren möchte, der soll das auch tun. Der Körper setzt in Regel schon sehr gute Signale. Wenn man gar keine Lust auf Training mehr hat, dann braucht der Organismus vielleicht auch einfach mal eine größere Erholungsphase.

So läuft es gut

Sind die zwei Wochen um, kann man langsam wieder ins strukturierte Training einsteigen. Doch auch in dieser Phase müssen es noch keine regelmäßigen Rad-Einheiten sein. Ruhige Ausdauerläufe sind völlig ausreichend. Aber Vorsicht – keinen zu großen Ehrgeiz entwickeln. Der Körper ist längere Laufeinheiten nicht gewöhnt, wenn man nicht auch in der Saison regelmäßig gelaufen ist. Also nicht gleich den Marathonläufer aus der Nachbarschaft als neuen Trainingspartner anheuern – wir wollen ja nicht in den Laufsport einsteigen, sondern lediglich etwas für das Herz-Kreislauf-System tun. Laufen ist hierfür sehr effektiv, da deutlich geringere zeitliche Umfänge nötig sind als beim normalen Grundlagentraining auf dem Rad. Optimal für den Einstieg sind Läufe zwischen 30 und 45 Minuten; später kann man sich dann langsam in Richtung 60 bis 90 Minuten orientieren. Wenn man’s übertreibt, können allerdings Überbelastung und Schmerzen die Folge sein, also sollte man immer darauf achten, ob sich durch das Jogging irgendwelche Probleme ergeben. Die gängigen Stellen von Überbelastungen sind die Schienbeinmuskulatur und die Knie; auch Schmerzen in der Hüfte oder im Rücken sind ein Alarmsignal – und wenn das ertönt, muss man sofort die Umfänge reduzieren oder das Training ganz einstellen.

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Gerade auch an dunklen Tagen kann man abends nochmal schnell die Laufschuhe schnüren

Gerade für Sportler, die im normalen Berufsleben stehen, ist es in Herbst und Winter kaum möglich, unter der Woche Rad zu fahren. Die gesamte Zeit von Mitte Oktober bis März mit Rollentraining zu gestalten, ist auch nicht jedermanns Sache; daher kann es sehr effektiv sein, in der Übergangsphase (Oktober) und in der Vorbereitungsperiode 1 (November/ Dezember) noch größere Anteile an Lauftraining – vor allem unter der Woche – einzubauen. In der Vorbereitungsperiode 1 kann das Lauftraining durch kurze Rolleneinheiten ergänzt werden, die den Schwerpunkt nur auf die motorische Entwicklung (Trittfrequenz) legen. Damit sind sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Insgesamt sollten in der gesamten Übergangsphase allerdings keine zu hohen Ausdauerumfänge erfolgen. Es geht ja nach wie vor darum, die Belastungen der Saison zu kompensieren und einmal vollständig zu regenerieren.

Bitte abschalten!

Ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist die mentale Entspannung. Das regelmäßige Training, der Wettkampfstress und oft auch Leistungsdruck – ob von außen oder selbst auferlegt – haben Ihr Spuren hinterlassen. Die Übergangsphase ist der richtige Zeitpunkt, um all dies einmal abfallen zu lassen.  Auch die oft strengen Ernährungsgewohnheiten und der Verzicht auf abendliches Feiern (wenn am nächsten Tag ein Wettkampf ansteht) führen, wenn auch oft unbemerkt, zu einer Belastung. In der Übergangsphase ist dies nicht so wichtig. Man sollte bei der Ernährung zwar nicht ständig über die Stränge schlagen, aber hin und wieder ist das in dieser Phase selbst für Profis völlig okay.

Für Ausgleich sorgen

Im Training kann man sich jetzt auch Bereichen widmen, die in der Saison vielleicht zu kurz gekommen sind. Das Training der Rumpfmuskulatur etwa wird von Radsportlern immer wieder unterschätzt. Die Sicherung der Belastbarkeit ist eine wesentliche Grundlage für einen erfolgreichen Leistungsaufbau und für die allgemeine Leistungsfähigkeit.

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Von Kraft und Core Einheitern im Winter profitiert man die ganze Saison

Das gilt es natürlich unbedingt zu vermeiden. Hat man vielleicht schon Probleme in der Saison gehabt, sollte man diese gezielt analysieren (ob alleine oder mit Unterstützung eines Experten) und diese gezielt angehen.

Ab der Vorbereitunsgperiode 1 im November sollte ein entsprechendes Training im Trainingsablauf eingeplant werden.

Schmerz-Ursachen finden

Viele Radsportler haben kleinere oder größere Probleme mit der Sitzposition. Innerhalb der Saison sollte man hier nur kleine Veränderungen vornehmen; jetzt jedoch kann man gefahrlos rumprobieren. Nur sollte man dabei die bisherigen Einstellungen des Rades in einer Maßkarte genau dokumentieren, um die Veränderungen nachvollziehen zu können und den alten Stand notfalls wiederherstellen zu können. Wie erwähnt, haben viele Probleme muskuläre oder orthopädische Ursachen. So kann ein verheilter Schlüsselbeinbruch zu einer Fehlhaltung führen, die dann wieder andere Folgen hat. Hier ist oft die Hilfe eines Experten nötig, um eine wirkliche Lösung zu finden, da die Ursachen für den Laien oft nicht zu erkennen sind.

Analyse und Ausblick

Wie ist die Saison gelaufen? Wo waren Stärken und wo Schwächen? Was waren die Ursachen? Klingt einfach, doch die wenigsten Sportler analysieren ihre Saison effektiv und setzen die Ergebnisse für das weitere Vorgehen um. Ich empfehle, diese Reflexion immer schriftlich zu machen, denn jetzt ist alles noch präsent. Mit der Zeit verwischen die Eindrücke jedoch und werden nur noch unscharf wahrgenommen.

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MTB und Crossrad bieten eine willkommene Abwechslung und schulen nebenbei die Fahrtechnik

Dann sollte man sich Gedanken machen, was man in der kommenden Saison erreichen will und wie man diese Ziele erreichen kann. Diese Vorstellungen sollten weiter ausgebaut und möglichst konkret fixiert werden. Ein umfangreiches Wintertraining ist viel einfacher, wenn man klare Ziele vor Augen hat.

Wie hast du bisher trainiert? Es ist für mich oft erschreckend, wie viele Radsportler einfach nur Rad fahren, um ihre Ziele zu erreichen; selbst Profis trainieren oft nur sehr intuitiv. Eine individuell abgestimmte Trainingsplanung kann hier sehr viel effektiver sein, und zwar nicht nur für Leistungssportler. Die Arbeit von XP Sport – Training Systems zeigt, dass gerade für Hobbysportler eine professionelle und individuelle Trainingsplanung oft sehr effektiv ist. Durch das berufliche und private Umfeld können viele Hobbysportler nur selten nach Musterplänen aus Büchern trainieren – Individualisierung und Anpassung ans Zeitbudget sind gefragt; wenn das hinhaut, winken als Lohn oft extreme Leistungssteigerungen. Hobbysportler die schon seit Jahren umfangreich trainiert haben, konnten durch eine Umstellung des Trainings innerhalb eines Jahres eine Leistungssteigerung von über 20 Prozent erreichen (gemessen an der Leistung der IANS in Watt). Bei anderen Sportlern konnten wir trotz einer Reduzierung der Trainingsumfänge um fast 30 Prozent – mehr war aus beruflichen Gründen nicht mehr möglich – das Leistungsniveau erhalten. Das zeigt, wie wenig effektiv viele Radsportler trainieren – und dass eine Trainingssteuerung deutlich mehr bringt als ein neuer Carbonlaufradsatz für 1500,- Euro.

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